Beim Skin Picking fügen sich Betroffene Verletzungen durch Zwicken oder Kratzen der Haut zu. Nach einer Diagnose kann diese Zwangsspektrumsstörung therapiert werden. Wir verraten dir alles, was du dazu wissen musst.
Jede:r drückt vermutlich mal an einem Pickel herum. Doch wenn es zu einem unwiderstehlichen Drang wird, immer wieder an bereits geschädigter Haut zu quetschen, kratzen und zu drücken, sprechen Fachleute von der Skin Picking Disorder (Dermatillomanie). Dabei handelt es sich um eine psychische Erkrankung, die zu den Impulskontrollstörungen zählt.
Skin Picking tritt besonders häufig in der späten Kindheit oder zu Beginn der Pubertät auf. Allerdings kann es auch bei Erwachsenen zu Dermatillomanie kommen. Laut dem Ärzteblatt sind 60 bis 90 Prozent der Betroffenen Frauen. Allerdings wird vermutet, dass die Dunkelziffer bei Männern sehr hoch ist.
Was sind die Auslöser der Skin Picking Disorder?
Wie das Ärzteblatt schreibt, können Auslöser für das schädliche Bearbeiten, Knibbeln und Kratzen der Haut zum Beispiel ein Schorf, ein Sonnenbrand, ein Mückenstich, ein Ausschlag oder ein Pickel in Verbindung mit Stresssituationen (wie Streit, Leistungsdruck, Trauer) oder Traumata sein. Durch das Skin Picking sollen solche Unebenheiten beseitigt werden. Aber nicht jede:r, der:die mal eine Kruste aufkratzt oder zwei Pickel hintereinander ausdrückt, leidet unter Skin Picking.
Skin Picking liegt laut einer Publikation des auf medizinische Fachliteratur spezialisierten Thieme Verlags dann vor, wenn das Bearbeiten der Haut emotionale Kontrolle und Abbau von Stress zum Ziel hat. Gerade in Situationen, die Angst oder Druck verursachen, kann Skin Picking für Betroffene der Störung zu einer Erleichterung führen. Das Beseitigen von Unebenheiten auf der Haut geht mit einem kurzfristigen Glücks- und Entspannungsgefühl einher, durch das sich die Betroffenen einen Moment lang besser und erleichterter fühlen.
Mithilfe des Skin Pickings können sie belastende Gedanken ausblenden. Dafür nehmen sie in Kauf, dass sie durch das Skin Picking ihre Haut weiter zerstören und dadurch ein Teufelskreis entsteht: Die selbst zugefügte Wunde bildet eine Kruste, welche die Betroffenen in der nächsten Skin-Picking-Episode wieder aufkratzen. So können erhebliche Gewebeschäden auf der Haut entstehen, die Schmerzen verursachen und optisch stark auffallen können. Für diese sichtbaren Folgen ihrer Störung schämen sich die Betroffenen oft. Deswegen verstecken sie die betroffenen Stellen sogar im Sommer unter langer Kleidung, vermeiden soziale Situationen oder wenden viel Zeit auf, um die Narben durch Make-up weniger auffällig zu machen.
Dermatillomanie findet nicht nur im Gesicht statt, sondern auch am Hals, an den Schultern, an der Brust und an den Händen. Bei schlimmen Fällen wird die Haut manchmal auch mithilfe von Scheren oder Pinzetten bearbeitet, bis sie blutet.
Für manche Betroffene ist Skin Picking wie ein Ritual, das sie zum Beispiel abends vor dem Badezimmerspiegel praktizieren. Aber auch in Situationen, in denen sie warten müssen, oder beim Fernsehschauen fühlen sich viele Personen, die unter Skin Picking leiden, dazu verleitet, ihre Haut zu bearbeiten. Skin Picking passiert dabei oft, wenn keine andere Menschen mit im Raum sind.
Skin Picking: Die Diagnose
Selbst unter Ärzt:innen ist die Skin Picking Disorder eine noch relativ unbekannte Störung. Die Erkrankung selbst gilt aber laut Psychologin und Psychotherapeutin Antje Hunger als genau definiert, wodurch sie sich diagnostizieren lässt. Zu den Diagnosekriterien zählen:
- Betroffene haben bereits mehrfach ohne Erfolg versucht, mit dem Kneifen, Kratzen oder Knibbeln an ihrer Haut aufzuhören.
- Das Bearbeiten der Haut hat bereits zu sichtbaren Schäden geführt.
- Ein hoher Leidensdruck liegt vor.
- Ein Ausschluss eines Arztes oder einer Ärztin, dass den Symptomen eine andere Erkrankung oder Störung zu Grunde liegt. Oft macht es Sinn, vorab mit einer dermatologischen Fachperson zu sprechen, damit zum Beispiel Akne oder ein Ausschlag als Ursache ausgeschlossen werden können.
Diese diagnostische Abklärung der oben genannten Merkmale erfolgt laut dem Thieme Verlag durch ein klinisches Gespräch in einer wertschätzenden Atmosphäre mit den Betroffenen. Eine der Screening-Fragen lautet dabei zum Beispiel: „Fällt es Ihnen schwer, Ihre Haut in Ruhe zu lassen bzw. mit dem Knibbeln aufzuhören?“ Auch durch einen Selbsteinschätzungsfragebogen können Mediziner:innern herausfinden, ob Betroffene tatsächlich unter Skin Picking leiden.
Skin Picking: Therapie
Steht die Diagnose, gibt es verschiedene Ansätze, um gegen Skin Picking vorzugehen. Zu den wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten gehört eine Therapie:
- Laut dem Thieme Verlag ist die kognitive Verhaltenstherapie ein wichtiger Bestandteil darin, Skin Picking in den Griff zu bekommen. Diese Therapieform besteht zu einem aus Selbstbeobachtung, durch die Betroffene lernen, Situationen, die das Skin Picking triggern, zu identifizieren und dokumentieren. Unter anderem kann das über eine App funktionieren.
- Diese Therapieform vermittelt Betroffenen auch, wie sie das Skin Picking in Stresssituationen durch eine andere Tätigkeit mit den Fingern ersetzen können. Statt sich zu kratzen, kann es helfen, Luftpolsterfolie zerplatzen zu lassen, die Hände zu Fäuste zu ballen oder sich auf die Hände zu setzen.
- Außerdem hilft die Therapie Betroffenen dabei, ihr Verhalten besser zu verstehen. Das Ziel ist es, Gedanken, die zum Skin Picking führen, bewusst zu ändern.
- Entspannungsübungen wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung können die Verhaltenstherapie unterstützen. Die Übungen können helfen, den Drang nach Skin Picking abzubauen und der Haut somit Zeit zum Heilen zu geben.
- Auch der Austausch mit anderen Betroffenen unterstützt den Heilungsprozess. In Skin-Picking-Selbsthilfegruppen gibt es beispielsweise Tipps dazu, welche Tätigkeit mit den Fingern das Skin Picking noch ersetzen könnte. In vielen Städten gibt es mittlerweile solche Selbsthilfegruppen, wie eine Liste der Skin-Picking-Selbsthilfegruppe Köln zeigt.