Wir alle wollen etwas erleben und neue Eindrücke sammeln: Das liegt am Persönlichkeitsmerkmal Sensation Seeking. Wie es sich ausprägen und manchmal mit negativen Folgen einhergehen kann, erfährst du hier.
Reisen in exotische Länder, gefährliche Hobbys oder Glücksspiel – Sensation Seeking beschreibt eine oft unstillbare Lust nach neuen Erfahrungen und Nervenkitzeln. Aber auch der Wunsch sich weiterzubilden lässt sich unter Sensation Seeking verorten, genau wie das Bedürfnis nach Abwechslung. Zum Beispiel, wenn du deinen Job wechseln möchtest, dein Zuhause umgestalten willst oder gerne eine neue Frisur hättest.
Sensation Seeking, also das Suchen nach neuen Erlebnissen und Eindrücken, ist eine Eigenschaft, die Menschen dazu verleitet, immer weiter an die eigenen Grenzen zu gehen und Neues auszuprobieren. Sensation Seeking kann harmlos sein, aber auch gefährlich werden.
Die Zuckerman Sensation Seeking Scale
Sensation Seeking ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das alle Menschen haben. Bei manchen ist es aber ausgeprägter als bei anderen. Den Begriff und die Merkmale des Sensation Seeking hat der US-Psychologe Marvin Zuckerman beschrieben. In den 1950er Jahren begann er zu menschlichen Persönlichkeiten zu forschen. In den 1960er Jahren entwickelte er dann das Konzept des Sensation Seekers.
Es geht davon aus, dass jeder Mensch ein individuelles Erregungsniveau hat, das von Reizen stimuliert wird. Nach solchen Reizen suchen wir. Wenn du beispielsweise gerne Mountainbike fährst, kann es ein reizvoller Kick sein, einen gefährlichen, unbekannten Abhang hinunterzufahren. Bei Sensation Seeking muss es sich allerdings nicht immer um gefährliche Aktivitäten handeln. Sensation Seeking ist bei jeder Person individuell ausgeprägt.
Mit der Sensation Seeking Scale entwickelte Marvin Zuckerman einen aus 40 Fragen bestehenden Test, mit dem sich die Ausprägungen von Sensation Seeking kategorisieren lassen. Vielleicht erkennst du dich in einem der vier Typen wieder:
- Thrill and Adventure Seeking: Dabei suchen Personen Nervenkitzel, indem sie sich neuen und scheinbar gefährlichen Situationen aussetzen. Sie sehnen sich nach einem echten Adrenalinkick. Aber auch Personen mit einem ausgeprägten Hang zu Wettbewerben zählen zu dieser Gruppe.
- Experience Seeking: Diese Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals ist am weitesten verbreitet, denn es geht darum, grundsätzlich neue Erfahrungen zu machen. Dazu zählen zum Beispiel das Erlernen von Sprachen oder Instrumenten oder der Wunsch, viel von der Welt zu sein. Aber auch der Drang, mit Drogen zu experimentieren, gehört dazu.
- Disinhibition Seeking: Hierbei erfahren die Personen einen Kick durch Reize in enthemmten sozialen Situation, zum Beispiel auf Partys. Feiern sind ideal zum Sensation Seeking. Schließlich bieten Partys oft Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen, ausgelassen zu sein und auch Alkohol und Drogen zu konsumieren. Anders als beim Experience Seeking werden hier Rauschmittel immer nur in Gesellschaft als Gruppenerlebnis eingenommen.
- Boredom Susceptibility: Diese Form des Sensation Seeking trifft auf Personen zu, die nicht mit Langeweile umgehen können und daher permanent Ablenkung und Reize von außen brauchen. Fallen diese weg, leiden Betroffene unter einer inneren Unruhe, die ihnen zu schaffen macht.
Noch immer ist der Test von Marvin Zuckerman Standard in der Psychologie. Er wurde bereits mehrfach überarbeitet und kommt zum Beispiel beim Militär zum Einsatz, um herauszufinden, wie Soldat:innen mit Druck zurechtkommen oder ihr Verhalten zu bewerten. Weitere Anwendungsgebiete sind Werbung und Marketing, wo die Skala dabei hilft, verschiedene Zielgruppen genauer ansprechen zu können.
Sensation Seeking ist nicht gleich Risikobereitschaft
Sensation Seeking ist allerdings nicht gleichzusetzen mit Risk-Taking. Auch dieses Verhalten ist in eine Skala unterteilt. Diese nennt sich DOSPERT und steht für Domain-Specific Risk-Taking. Die Skala dient der Erfassung, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person ein Risiko eingeht. Dabei wird die Risikobereitschaft in fünf Bereichen gemessen, im finanziellen Bereich, Gesundheit/Sicherheit, Freizeit, ethische und für soziale Entscheidungen.
Allerdings gibt es einen Zusammenhang zwischen Sensation Seeking und Risk-Taking: Laut einer Studie erklärt Sensation Seeking bei 16 Prozent der teilnehmenden Personen das Verhalten zur Risikobereitschaft.
Sensation Seeking: Geht das auch sicher und nachhaltig?
Sensation Seeking ist uns allen gemein, denn auf die eine oder andere Art möchte jede:r neue Erfahrungen sammeln und etwas erleben. Etwas Schlechtes ist Sensation Seeking an sich also nicht. Allerdings solltest du hinterfragen, wie die Suche nach neuen Eindrücken möglicherweise zur Gefahr für dich und andere werden könnte oder auf Kosten deiner Mitmenschen, der Umwelt und des Klimas geht.
Möchtest du beispielsweise einen dir exotisch erscheinenden Ort erleben, bevor es aufgrund der Klimakrise und ihrer Folgen vielleicht nicht mehr möglich sein wird, mache dir klar, dass ein solcher Last Chance Tourism sehr problematisch sein kann. Denke zum Beispiel daran, dass Reisen in ferne Länder dir zwar neue Eindrücke ermöglichen, aber auch deinen CO2-Fußabdruck vergrößern, falls du viel mit dem Flugzeug unterwegs bist.
Mit diesen Tipps kannst du dein Sensation-Seeking-Verhalten nachhaltiger ausleben:
- Plagt dich ständiges Fernweh, musst du nicht gleich in das nächste Langstreckenflugzeug steigen, um Neues zu erleben. Auch beim Slow traveling, zum Beispiel auf einer Interrail-Reise durch Europa, warten viele spannende Eindrücke auf dich. Zugreisen sparen nicht nur klimaschädliches CO2 ein, du bekommst beim Reisen per Bahn auch etwas mit von der Strecke und hast dabei genug Zeit, deine Eindrücke zu verarbeiten. Im Idealfall lernst du auch noch interessante Menschen kennen. Vielleicht stillt es auch dein Fernweh, wenn du eine neue Sprache lernst oder du baust dir Mikroabenteuer in deinen Alltag ein.
- Mache dir die Risiken bewusst, bevor du dich einer gefährlichen Situation aussetzt. Ist es dir wirklich wert, dass du dich dabei vielleicht ernsthaft verletzten könntest? Versuche, eine nicht ganz so waghalsige Aktivität für einen Adrenalinkick zu finden. Fange beispielsweise einen herausfordernden, aber nicht riskanten Sport an, in dem du langsam deine Leistung steigern kannst. Möglicherweise kannst du ein neues Hobby finden, dass deinen Drang nach Neuem regelmäßig stillen kann.
- So platt es klingt: Du kannst auch ohne Alkohol Spaß auf Partys oder im Club haben. Nicht nur im Rauschzustand kann es zu einem tollen Abend mit neuen Bekanntschaften und vielen Eindrücken kommen. Und das Beste dabei: Am nächsten Morgen kannst du dich an alles ganz genau erinnern, ohne dass dich ein lästiger Kater quält. Versuche doch, statt zu trinken, mehr zu tanzen – denn die Wissenschaft hat gezeigt, dass Tanzen glücklich macht.
- Wenn du gerne selbst Partys organisierst, kannst du darauf achten, nachhaltig zu feiern, indem du auf Einweg-Geschirr verzichtest und Snacks selber machst, anstatt sie in Plastik verpackt zu kaufen.
- Vielleicht stillt es dein Bedürfnis nach neuen Erfahrungen auch, wenn du dich sozial engagierst oder Umweltschutzprojekte tatkräftig unterstützt. Du könntest zum Beispiel in einem Senior:innenheim vorliest oder bei Müllsammel-Aktionen mitmachst. So profitierst nicht nur du vom Sensation Seeking, sondern auch andere und die Umwelt.
- Frage dich, warum du ständig nach neuen Reizen suchst und dich sofort eine innere Unruhe plagt, wenn du mal inaktiv bist – sollte das der Fall sein. Achtsamkeitsübungen können dafür hilfreich sein. Auch wenn unsere Leistungsgesellschaft uns das oft vermitteln will: Du musst nicht ständig produktiv sein oder etwas erleben. Denn dieser Drang erzeugt ganz oft Freizeitstress.