Wer sich aufgrund von Stress und Erschöpfung ständig am Limit befindet und trotzdem weitermacht, leidet unter Burn-on. Was es mit dem Syndrom auf sich hat und was dagegen hilft, erfährst du hier.
Burnout ist ein schwerer psychischer und körperlicher Erschöpfungszustand, der irgendwann dazu führt, dass nichts mehr geht. Tritt dieser Absturz nicht ein, sondern „funktioniert“ man trotz permanenter Anspannung und chronischer Erschöpfung weiter wie bisher, sprechen Fachleute vom Burn-on-Syndrom – einer Vorstufe des völligen Ausgebranntseins.
Was ist Burn-on?
Während sich ein Burnout laut dem Psychotherapeuten Timo Schiele durch eine „negative Spirale aus Überarbeitung, immer weiter abnehmender Leistungsfähigkeit und dem Versuch, durch ein Mehr an Arbeit das wieder zu kompensieren“ auszeichnet, eskaliert ein Burn-on nicht auf diese Weise. Burn-on-Betroffene erleben keinen Tiefpunkt der Spirale, an dem sie merken, dass es nicht mehr weitergehen kann wie bisher. Das Gefühl, komplett „ausgebrannt“ zu sein, tritt nicht ein.
Stattdessen handelt es sich beim Burn-on-Syndrom um eine „chronische Form einer Erschöpfungsdepression“, während derer Betroffene weiterhin ihren Aufgaben nachgehen und dabei mitunter sogar ihre Belastungsgrenze weiter nach oben zu verschieben versuchen. Der Psychologe Matthias Diesch erklärt, dass ein Burnout den „definitiven Zusammenbruch“ beinhaltet, wohingegen sich seine Vorstufe, der Burn-on, dadurch auszeichnet, dass noch ein gewisses Feuer lodert. Betroffene brennen also mit letzter Kraft weiter, statt total auszubrennen. Doch Freude und Erfüllung bringt das Erledigen von Aufgaben nicht mehr, denn es geschieht nur noch automatisch – nicht motiviert durch persönliche Werte oder Ziele.
Zu der chronischen Erschöpfung und dem Dauerstress können Matthias Diesch zufolge diese körperlichen Symptome kommen:
- Schlafstörungen (nicht einschlafen können und früh wieder aufwachen)
- Bluthochdruck
- Übelkeit
- Schwindel
- schwere Glieder
- Kraftlosigkeit
- Tinnitus
- Flimmern in den Augen
Mentale Anzeichen sind:
- Verzweiflung
- Sinnlosigkeitsgefühl
- Perspektivlosigkeit
- fehlende Begeisterungsfähigkeit und Lebensfreude
- fehlende Zufriedenheit
Woher kommt Burn-on und was sind die Folgen?
Burn-on-Betroffene leben ihren Alltag – ob beruflich oder privat – größtenteils im Arbeitsmodus. Sowohl Verpflichtungen im Beruf als auch eigentlich freudige Angelegenheiten im Privatleben, wie das Besorgen von Geschenken oder einen Anruf an die Freundin, wollen sie möglichst effizient abarbeiten. Sie unterwerfen ihr gesamtes Leben einem extremen Leistungsanspruch, wodurch sie sich einer dauerhaften Belastung kaum entziehen können. Ihnen fällt es daher schwer, wirklich abzuschalten und oft sind selbst die Pausen, die sie sich gönnen, nur dazu gedacht, ihre Effizienz aufrechtzuerhalten.
Matthias Diesch erklärt, dass sich daraus ein Zustand ergibt, als würde man immer auf der Überholspur fahren, immer auf das Gaspedal drücken und dabei nicht merken, dass eigentlich kaum mehr Sprit im Tank ist. Zu den körperlichen Folgen dieses Zustands können laut dem Psychotherapeuten Bert te Wildt Bluthochdruck, der eine Vorstufe für Schlaganfälle und Herzinfarkte ist, sowie häufig extreme Verspannungen und Kopfschmerzen gehören.
Mehrere Faktoren begünstigen einen Burn-on. Dies können sowohl persönliche Eigenschaften als auch problematische Strukturen in der Arbeitswelt sein:
- Beispielsweise sind solche Personen für das Burn-on-Syndrom anfällig, die sich durch ein starkes Verantwortungsbewusstsein, eine ausgeprägte Bereitschaft zur Verausgabung sowie Karriereorientierung auszeichnen. Oft handelt es sich bei Betroffenen auch um Personen, die in jungen Jahren nicht gelernt haben, sich von Leistungsanforderungen abzugrenzen, sodass sie nun Schwierigkeiten haben, nicht alle Dinge im Leben wie im Arbeitsmodus zu bewältigen.
- Zurückführen lässt sich die Ausbildung solcher Neigungen aber nicht nur auf die individuelle Persönlichkeit, sondern auch auf den Druck innerhalb der Leistungsgesellschaft. Psychologe Matthias Diesch erklärt, dass schon die Schulzeit mit ihrem Notensystem das Gefühl vermittelt, dass Erfolg nur durch ständige Leistung möglich ist. Und wenn man im Berufsleben fordernden Vorgesetzten begegnet, die weder Lob noch Anerkennung aussprechen, würden viele daraus schließen, nicht genug Leistung erbracht zu haben, die Würdigung verdient. Sie verspüren dann Leistungsdruck und wollen immer mehr erreichen.
- Bert te Wildt sieht in den Strukturen der Arbeitswelt Faktoren, die das Burn-on-Syndrom begünstigen. Es gäbe einerseits viele prekäre Arbeitssituationen, also Jobs, bei denen eine Arbeitszeit von 40 Stunden die Woche nicht ausreicht, um über die Runden zu kommen. Andererseits würde ein hohes Arbeitspensum in einigen Bereichen wie der Medizin oder der Wissenschaft einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der starken Konkurrenz bringen.
So kannst du Burn on behandeln (lassen) und vorbeugen
Zu viel zu arbeiten ist in einer Gesellschaft, die sich über Leistung definiert und ihre Werte stark an Geld und materielle Dinge knüpft, weit verbreitet. Es scheint normal, immer im Arbeitsmodus zu funktionieren. Doch wer unter einem Burn-on leidet, lebt am schmalen Grat zwischen Dauerstress und Burnout. Daher ist es wichtig, es erst gar nicht zu einem Burn-on kommen zu lassen.
Das kannst du tun, um das Burn-on-Syndrom zu vermeiden:
- Schaffe dir im Sinne der Work-Life-Balance einen Ausgleich zur Arbeit. Suche dir ein sinnvolles Hobby, bei dem es vorrangig nicht um Leistung geht. Probiere beispielsweise etwas Kreatives aus, wie Basteln mit Naturmaterialien, die du beim Waldbaden gesammelt hast. Bewegungshobbys wie Radfahren oder Wandern erlauben dir, deinen Körper bewusster wahrzunehmen und so körperliche Stresssymptome zu erkennen.
- Lerne, Arbeits- und Pausenzeiten einzuhalten. Das fängt schon dabei an, einem geregelten Tag-Nacht-Rhythmus zu folgen. Hilfreich kann es beispielsweise sein, in deiner Morgen- und Abendroutine auf digitale Medien zu verzichten, die oft dazu verleiten, auch außerhalb des Büros zu arbeiten, und uns außerdem konstant unter Strom stehen lassen.
- Probiere verschiedene Methoden der Entschleunigung aus, beispielsweise Entspannungstechniken wie richtiges Atmen, Progressive Muskelentspannung (PME) oder Achtsamkeits-Übungen.
Auch wenn du den Verdacht hegst, bereits akut unter dem Burn-on-Syndrom zu leiden, kannst du diese Tipps ausprobieren. Doch oftmals tendieren Betroffene dazu, auch Methoden zur Entspannung und Entschleunigung möglichst effizient abarbeiten zu wollen, um direkt zur nächsten Aufgabe übergehen zu können.
Doch damit du nicht in einen Burnout rutschst, ist es wichtig, nicht zu zögern und eine Behandlung durch Fachpersonal in Anspruch zu nehmen:
- Therapie: Die Begleitung durch Psycholog:innen oder Psychotherapeut:innen hilft dir zunächst dabei, dir des Problems bewusst zu werden. Sie ermöglicht dir auch zu erkunden, warum du dein gesamtes Leben im Arbeitsmodus verbringst. Die Ursachen zu kennen ist eine wichtige Voraussetzung für eine wirksame Behandlung.
- Kur: Im Rahmen einer Kur entziehst du dich deinem gewohnten, auf Effizienz und Leistung ausgerichteten Arbeits- und Lebensumfeld. Das gibt dir die Möglichkeit, dein Bewusstsein auf dich selbst zu lenken. Du kannst dich während der Kur sportlich betätigen und dir dabei der Stärke, aber auch der Erschöpfung deines Körpers bewusst werden. Das hilft dabei, die Stresssignale deines Körpers besser wahrzunehmen. Über deine:n Ärtz:in kannst du bei deiner Krankenkasse eine Kur beantragen.
Die Bestandteile deiner Burn-on-Behandlung werden individuell an dich und deine Situation angepasst. Doch zwei grundsätzliche Maßnahmen gegen Burn on sind:
- Veränderung des Lebensstils: Burn-on meint, dass dein ganzes Leben von Arbeit und Effizienz vereinnahmt wird. Daher ist es unvermeidlich, dass du deinen Lebensstil wesentlich veränderst. Das kann ein Rückschrauben der Arbeit, beispielsweise während eines Sabbaticals, Entspannung um ihrer selbst willen sowie einen verstärkten Fokus auf nicht-leistungsorientierte Hobbys und soziale Kontakte beinhalten.
- Abgrenzung: Im Rahmen dieser Lebensstilveränderungen ist es wichtig, dass du lernst, dich abzugrenzen. Dazu gehört, dass du damit beginnst, häufiger Nein zu sagen. Nein-Sagen ermöglicht dir, selbstbestimmter zu leben und zu entscheiden, wie du deine Zeit wirklich verbringen möchtest. Abgrenzung kann auch bedeuten, dass du toxische Freundschaften beendest.