Selbstmitgefühl ist gerade in schwierigen Zeiten wie Corona wichtig. Oft sind wir nachsichtig mit den Fehlern anderer, kümmern uns aber zu wenig um unsere eigene Psyche. Selbstmitgefühl kann dir zu mehr Gelassenheit im Leben verhelfen.
Selbstmitgefühl ist nicht Selbstmitleid
Selbstmitgefühl mag sich so ähnlich anhören wie Selbstmitleid, ist aber keinesfalls das Gleiche. Beim Selbstmitleid vergräbst du dich und verfängst dich allzu leicht in Spiralen negativer Gedanken. Selbstmitleid kann zu beißender Selbstkritik führen und deinen Zustand verschlechtern. Du gibst der ganzen Welt und auch dir selbst die Schuld für dein Leid und fragst warum es ausgerechnet dich getroffen hat.
Wenn du hingegen mit dir selbst fühlst, statt nur zu leiden, wirst du milde werden und dich selbst besser verstehen lernen. Du wirst lernen, dass nicht nur du schlechte Erfahrungen machst, sondern sie bei den allermeisten Menschen zum Leben dazugehören. Als Pionierin des Selbstmitgefühls gilt Kristin Neff, Professorin für Psychologie.
Das Verständnis und der Trost, den du Freund:innen entgegenbringst, wenn es ihnen schlecht geht, kannst du auch dir selbst spenden. Und das solltest du auch tun. Denn gerade in schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass du dir selbst Fehler vergeben kannst und dich liebevoll um dich selbst kümmerst. Selbstmitgefühl ist keine Schwäche.
Viele fürchten, dass sie ohne Selbstkritik nachlässig werden und ihre Ziele verfehlen. Das ist ein Trugschluss. Dr. Leon Winterscheid schreibt, dass man „sich mit unerbittlicher Selbstkritik“ die „eigene Kraft“ untergrabe. (Besser Fühlen, S.139) So solle man versuchen auf sich selbst wie auf eine:n Freund:in zu schauen und nicht zu hart mit sich ins Gericht gehen.
Du kannst Dinge tun, die dir Spaß machen und den Gedanken an Sinn und Zweck auch mal bewusst ausschalten. Du kannst neue Dinge ausprobieren, Sport machen, kochen, eine Sprache lernen. Oder du gönnst dir einfach nur Entspannung, etwa in Form einer Massage oder eines langen Spaziergangs.
Psychologie des Selbstmitgefühls
Wenn du dir mit Selbstmitgefühl begegnest, wirst du bald merken, wie sich negative Gedankenwolken auflösen. Du wirst deine Emotionen und Gedanken besser verstehen.
Das heißt nicht, dass du nur noch mit rosaroter Brille durch die Gegend läufst. Das heißt aber auch, dass du nicht mehr alles schwarz malst. Eine gewisse Gelassenheit gegenüber den Höhen und Tiefen des Lebens stellt sich ein, wenn du dich in Selbstmitgefühl übst. (Besser Fühlen, S.138 ff)
Selbstmitgefühl geht mit Achtsamkeit Hand in Hand. Wenn du den Moment besser wahrnehmen und erleben kannst, wirst du dich wohler fühlen. Wenn du der Gegenwart mehr Gewicht schenkst, als den Gedanken an gestern und morgen, dann wirst du ganz automatisch sensibler und freundlicher mit dir umgehen. Selbstmitgefühl kann vor allem vorbeugende Wirkung entfalten und die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen mindern.
Ob du genug Selbstmitgefühl aufbringst oder du an dieser Stelle noch Nachholbedarf hast, kannst du herausfinden. Welche Aussagen auf dich zutreffen, gibt Hinweise darauf, wie achtsam du mit selbst umgehst.
Viel Selbstmitgefühl:
• Du versuchst, deine Fehler als Teil der menschlichen Natur zu sehen.
• Wenn es dir schlecht geht, versuchst du deinen Gefühlen mit Neugierde und Offenheit zu begegnen.
• Du versuchst verständnisvoll und geduldig gegenüber jenen Zügen deiner Persönlichkeit zu sein, die du nicht magst.
Wenig Selbstmitgefühl:
• Wenn du dich niedergeschlagen fühlst, neigst du dazu, nur noch auf das zu achten, was nicht in Ordnung ist.
• Wenn es dir schlecht geht, glaubst du, dass die meisten anderen Menschen wahrscheinlich glücklicher sind als du.
• Wenn du Eigenschaften bei dir feststellst, die du nicht magst, dann deprimiert dich das.
Hupfeld, J., Ruffieux, N: Validierung einer deutschen Version der Self-Compassion Scale (SCS-D). In: Z. Klin. Psychol. Psychother. 40, S. 115–123, 2011