Melamin-Geschirr ist beliebt, denn es gilt als stabil, bruchsicher und leicht. Doch es gibt gute Gründe, auf das Kunststoffgeschirr zu verzichten.
Was ist Melamin?
Melamin ist ein weißes, geruchs- und geschmackloses Pulver. Es wird heute industriell aus Harnstoff gewonnen. Harnstoff wiederum entsteht unter anderem bei der Verbrennung von Erdgas. Der größte Teil des Melamins wird zu Kunstharzen verarbeitet. Dazu versetzt man Melamin mit Formaldehyd, welches zum Beispiel in Nagellack, Kleidung, Medikamenten und auch in Kunststoffen enthalten ist.
Das gewonnene Melaminharz wird oft zu Geschirr verarbeitet. Verschiedene Verbraucherschutzorganisationen warnen allerdings vor Melamin-Geschirr. Aktuelle Laborergebnisse von Öko-Test zeigen, dass das Material Schadstoffe freisetzt. Mehr dazu und warum du von Melamin-Geschirr die Finger lassen solltest, erfährst du hier.
Grund 1: Melamin-Geschirr kann giftige Stoffe freisetzen
Ab einer Temperatur von 70 Grad setzt Geschirr aus Melamin die Bestandteile Formaldehyd und Melamin frei. Davor warnt auch die Verbraucherzentrale, denn für beide Stoffe wurden gesundheitsschädliche Wirkungen nachgewiesen:
- Melamin zeigte in Tierversuchen eine giftige Wirkung auf die Blase. Es steht im Verdacht, Erkrankungen im Blasen- und Nierensystem zu verursachen.
- Formaldehyd ist haut- und schleimhautreizend. Es kann nach dem Einatmen das Krebsrisiko im Nasen-Rachen-Raum fördern. Zudem ist es als Auslöser für Allergien bekannt.
Für beide Stoffe gibt es daher genaue Grenzwerte. So dürfen pro Kilogramm Lebensmittel höchstens 2,5 Milligramm Melamin und 15 Milligramm Formaldehyd enthalten sein. Laut der Verbraucherzentrale solltest du nicht mehr als 0,2 Milligramm Melamin pro Kilogramm Körpergewicht am Tag aufnehmen. Erhitzt du Melamin-Geschirr in der Mikrowelle oder füllst es mit zu heißem Tee, kannst du diesen Grenzwert überschreiten.
Auch Kochutensilien wie Kochlöffel oder Pfannenwender gibt es aus Melamin. Sie dürfen auf keinen Fall länger in der Pfanne oder im Topf liegen, weil auch dann Melamin und Formaldehyd ins Essen übergehen können. Am besten verzichtest du auf Kochgeschirr aus Melamin und verwendest Holzkochlöffel.
Ergebnisse von Öko-Test: Auch Öko-Test rät von Melamin-Geschirr ab. Das Verbrauchermagazin hat neun Kindergeschirre ins Labor geschickt und untersuchen lassen, wie viel Melamin und Formaldehyd sie freisetzen. Die Ergebnisse wurden im September 2020 im Öko-Test „Ratgeber Kinder und Familie“ veröffentlicht:
- Aus allen Geschirren lösten sich zumindest geringe Mengen Formaldehyd.
- Bei drei Geschirren stellte Öko-Test „auffallend hohe Werte“ an Formaldehyd oder Melamin fest.
- Einige Hersteller – allen voran von Bambusgeschirr – werben zudem mit fragwürdigen Umweltversprechen. Aber: Die Bambusware enthält fast immer Melamin und kann deshalb, anders als behauptet, nicht „biologisch abbaubar“ sein.
- Öko-Test rät stattdessen zu Materialien wie Bio-PE oder zu Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen.
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Grund 2: Säuren lösen giftige Stoffe
Dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge ist die Mischung aus säurehaltigen Speisen und Hitze besonders gefährlich: Wenn du Obst oder Gemüse auf Melamin-Geschirr in der Mikrowelle über 70 Grad erhitzt, werden besonders viel Melamin und Formaldehyd frei.
Grund 3: Weitere Giftstoffe in Melamin-Geschirr sind möglich
Die Verbraucherzentrale kritisiert, dass Hersteller von Küchenutensilien nicht dazu verpflichtet sind, auf die Verwendung von Melamin hinzuweisen. Manche nutzen als Kennzeichnung die Abkürzung MF – auch der Recyclingcode 07 kann sich Melamin verbergen.
Zudem enthält Melamin-Geschirr zum Teil weitere nicht-deklarierte kritische Stoffe. Einer davon ist laut eines Berichts vom SWR das Abbauprodukt Nonylphenol. Dieser Stoff sorgt dafür, dass Melamin-Geschirr bei Sonneneinstrahlung und Hitze stabil bleibt. Nonylphenol wirkt sich auf den Hormonhaushalt des Menschen aus und sollte daher vermieden werden.
Grund 4: Recycling von Melamin-Geschirr ist kompliziert
Durch seine beständigen Eigenschaften ist Melamin-Geschirr nicht ökologisch abbaubar und sehr schwer zu recyceln. Normalerweise wird reines Plastik im Recyclingprozess zerkleinert und dann unter Hitze umgeformt. Melamin-Kunststoff lässt sich zwar zerkleinern, aber nicht thermisch umformen.
Eine Möglichkeit besteht darin, den Melamin-Kunststoff zu Pulver zu verarbeiten und dann mit weiteren Stoffen wieder in neue Formen zu bringen. Forscher beschäftigen sich auch mit aufwändigen chemischen Prozessen, um Melamin-Kunststoff zu lösen und weiterverarbeiten zu können.
Einfach ist das Recycling von Melamin also nicht und wie es für den Alltag wiederverwertet werden kann, bleibt unklar. Im Zweifelsfall wird es erst einmal als Sondermüll aussortiert.
Achtung: Melamin auch in Bambusbechern
Stiftung Warentest testete im Sommer 2019 zwölf verschiedene Bambusbecher – mit fatalen Ergebnissen: Aus mehr als der Hälfte der getesteten Bambusbecher gingen Schadstoffe ins Getränk über, die über dem EU-Grenzwert lagen. Neben Melamin fand sich auch Formaldehyd.
Abgesehen von den Schadstoffen rügten die Tester irreführende Kennzeichnungen wie falsche Abbaubarkeitsversprechen, fehlende Inhaltsangaben oder mangelnde Warnhinweise. Die Stiftung warnt deshalb: „Lassen Sie die Finger von Bambusbechern!“
[Juni 2020] Österreichische Verbraucherschützer warnen vor Melamin-Geschirr
Nachdem die deutsche Zeitschrift Öko-Test sich Ende Mai 2020 gegen Melamingeschirr für Kinder ausgesprochen hatte, kam einen Monat später auch die österreichische Zeitschrift Konsument zu einem ähnlichen Resultat.
In einer Pressemitteilung des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) Ende Juni hieß es programmatisch: „Hände weg von Kindergeschirr aus Melamin und ‚Bambus'“. Die Tester hatten neun verschiedene Produkte aus Melamin- bzw. Melamin-Bambus-Mischung (u.a. von Babylove, Haba, Hema) einem Belastungstest im Labor unterzogen. Das Ergebnis: Sie raten dringend von der Verwendung des Geschirrs ab.
Der Grund: Im Test lösten sich aus allen Produkten hohe Mengen an Melamin und Formaldehyd. Dabei wurde der Grenzwert für Melamin teilweise um mehr als das 100-fache überschritten, der von Formaldehyd um mehr als das 8-fache. Alle getesteten Produkte erhielten ein „nicht zufriedenstellend“. Die genauen Testergebnisse findest du an dieser Stelle.
Die besten Melamin-Alternativen
1. Eine gute Alternative zu Kunststoffgeschirr für den Campingurlaub oder das Picknick ist Edelstahlgeschirr. Es ist nahezu für die Ewigkeit gemacht, denn es ist hitzebeständig und sehr stabil. Neben Tellern gibt es Flaschen, Besteck, Brotdosen und sogar Kinderflaschen aus Edelstahl. Du kannst das Geschirr in Campingläden, manchmal auch secondhand in Gebrauchtwarenläden und im Internet (zum Beispiel bei Avocadostore**) kaufen.
- Lese-Tipp: Die besten plastikfreien Brotdosen – aus Edelstahl, Glas & Holz
In dieser Utopia-Bestenliste findest du die hitzebeständige Trinkflasche für deine Bedürfnisse:
Bestenliste: BPA-freie Trinkflaschen2. Eine weitere Alternative ist Bioplastik-Geschirr auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie zum Beispiel Palmblättern, Bambus, Zuckerrohr oder Mais. Die Pflanzen werden aber oft in Monokulturen angebaut und sind teils gentechnisch verändert. Palmblätter oder das Zuckerrohr stammen oft von Plantagen, für die Regenwald abgeholzt wurde.
Zudem gehen mit dem Anbau der Pflanzen für Bioplastik oft wertvolle Anbauflächen für Nahrungsmittel verloren. Es ist also fraglich, ob die Ökobilanz dieser Produkte wirklich so gut ist wie versprochen. Außerdem solltest du beim Kauf von Bioplastik-Geschirr ganz genau hinschauen: Häufig enthalten auch diese Melaminharze zum Binden der natürlichen Rohstoffe.
3. Eine gute Alternative sind biologisch abbaubare Holzprodukte wie Kochlöffel, Pfannenwender oder Schüsseln. Diese sind zwar etwas schwerer, jedoch nicht so zerbrechlich wie gängiges Porzellangeschirr. Vor allem Olivenholz für Teller oder Kochbesteck oder Kokosnuss-Schalen für Schüsseln eignen sich sehr gut. Hier findest du Anregungen:
Allerdings musst du bedenken: Exotische Produkte wie Kokosnuss haben einen langen Weg hinter sich und somit einen hohen CO2-Ausstoß. Zudem sind die Anbaubedingungen oft kritisch. Hier erfährst du mehr: Kokosnuss: Wundermittel oder Öko-Sünde. Eine nachhaltigere Wahl ist Geschirr aus heimischen Hölzern.