Gewohnheiten zu ändern erscheint uns oft als ein aufwendiger und langwieriger Prozess. Warum es sich dennoch lohnt, Gewohnheiten zu hinterfragen und wie du sie am effektivsten verändern kannst, erfährst du in diesem Artikel.
Wann sollten wir Gewohnheiten ändern?
Gewohnheiten machen einen großen Teil unseres Lebens aus. Sie erleichtern uns alltägliche Abläufe, geben uns Sicherheit und Stabilität und sind aus neurobiologischer Sicht sogar überlebenswichtig. Denn wenn wir Gewohnheiten ausführen, sind in unserem Gehirn deutlich weniger Areale aktiv, als wenn wir neue Verhaltensweisen ausüben.
Das Gehirn befindet sich sozusagen im „Energiesparmodus„. Wir müssen also nicht bewusst darüber nachdenken, beim Gehen einen Schritt vor den anderen zu setzen oder an einer roten Ampel stehen zu bleiben. Dadurch haben wir mehr mentale Kapazität, um neue Herausforderungen zu meistern.
Diese mentale Effizienz kann sich jedoch zu unserem Nachteil entwickeln: Manchmal bilden wir Gewohnheiten aus, die uns beim Erreichen von Zielen behindern, uns Energie und Lebenslust nehmen oder unserer Gesundheit oder der Umwelt Schaden zufügen.
Dabei sind Gewohnheiten meist so selbstverständliche, alltägliche und scheinbar banale Verhaltensweisen, dass wir ihnen oft keine größere Beachtung zuteilwerden lassen. Doch langfristig gesehen akkumulieren sich unsere Verhaltensweisen und nehmen großen Einfluss auf unsere Lebensweise und schließlich auch auf die Gesellschaft, in der wir leben.
Stell dir zum Beispiel vor, du würdest es dir zur Gewohnheit machen, dich jeden Tag nur zehn Minuten über ökologische Themen zu informieren. Das mag nicht viel erscheinen. Wenn du dies jedoch einen Monat lang durchziehst, hast du in dieser Zeit über 4,5 Stunden gelesen und recherchiert. Umgekehrt verhält es sich zum Beispiel mit der alltäglichen zehnminütigen Autofahrt zur Arbeit mit einem Benziner. Bei einer Fünf-Tage-Woche verursachst du so in einem halben Jahr in etwa 108 Kilogramm CO2-Ausstoß (Schätzung mittels CO2-Rechner), den du durch den Umstieg aufs Fahrrad hättest vermeiden können. Es kann also gut und sinnvoll sein, festgefahrene Gewohnheiten zu ändern und sich neue Verhaltensmuster zu schaffen.
Gewohnheiten ändern: Darum fällt es uns so schwer
Der Psychologe Bas Verplanken beschreibt Gewohnheiten als Neigungen, automatisch auf bestimmte externe Auslöser zu reagieren. Diese Neigungen basieren auf unserem Gedächtnis. Das heißt, wir eignen uns Gewohnheiten an, indem wir Verhaltensweisen immer wieder in einem stabilen Kontext wiederholen.
Besonders wichtig ist dabei, dass wir Gewohnheiten automatisch nachgehen – wir sind uns unseres Verhaltens in dem Moment also nicht bewusst. Dieser Automatismus macht es auch so schwer, einmal etablierte Gewohnheiten zu ändern.
Das erklärt außerdem, warum Informationen allein nicht ausreichen, um unser Verhalten zu beeinflussen. Vielleicht kennst du das Gefühl, wenn du eigentlich weißt, wie du richtig handeln solltest, aber trotzdem immer wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällst. Nach Bas Verplanken ist es deshalb unerlässlich, sich der Auslöser deiner Gewohnheiten bewusst zu sein und diese aktiv zu ändern oder zu eliminieren.
1. Mach dir deine eigenen Gewohnheiten bewusst!
Im ersten Schritt solltest du dir zunächst bewusst machen, welche deiner Verhaltensweisen tatsächlich Gewohnheiten sind. Um das herauszufinden kannst du dir eine Liste erstellen mit Handlungen, die du jeden Tag ausführst. Das fängt bereits mit dem Aufstehen, dem ersten Kaffee oder Zähneputzen an und erstreckt sich bis zum abendlichen Kochen, Fernsehen oder Lesen.
Überlege dir nun, welche dieser Gewohnheiten du ändern könntest. Handelt es sich bei ihnen um positive, negative oder neutrale Verhaltensweisen? Bringen sie dich deinen Zielen und deiner Selbstverwirklichung näher oder geben sie dir eher ein schlechtes Gefühl und rauben dir Kraft und Energie?
Dabei hilft es dir, dich zu fragen, warum du eine bestimmte Handlung regelmäßig ausübst. Vielleicht kommst du dabei auf Antworten wie:
- „Das mache ich schon immer so.“
- „Das passiert automatisch.“
- „Es würde mich Mühe kosten, es nicht zu tun.“
Fallen dir keine weiteren Gründe für eine Verhaltensweise ein, könnte dies ein Anzeichen sein, dass du eine Gewohnheit ändern solltest.
2. Essentiell, um Gewohnheiten zu ändern: Die Auslöser
Um Gewohnheiten zu ändern oder sie dir abzugewöhnen, musst du nach ihren Auslösern suchen. Welcher Reiz löst eine automatische Handlung aus? Typische Auslöser sind zum Beispiel:
- Tageszeit: Um neun Uhr stehe ich auf und trinke einen Kaffee.
- Ort: Sobald ich im Büro bin, esse ich einen Schokoriegel.
- Emotionen: Wenn ich Frust und Enttäuschung erlebt habe, versuche ich das durch Online-Shopping zu kompensieren.
- gesellschaftlicher Kontext: Immer wenn ich mich mit bestimmten Freund:innen treffe, rauchen wir gemeinsam.
Vermerke am besten auf deiner Gewohnheitsliste für jede „negative“ Gewohnheit den entsprechenden Auslöser. Dies schafft ein erstes Bewusstsein. So kann dir die Liste helfen, die Reaktion zwischen Reiz und Reaktion zu durchbrechen und Gewohnheiten dauerhaft zu ändern.
3. Auslöser ändern – Gewohnheiten ändern
Um Gewohnheiten langfristig erfolgreich zu ändern, solltest du deine Umwelt entsprechend umgestalten. Wenn du also neue Gewohnheiten entwickeln möchtest, schaffe dir neue, gut sichtbare Auslöser. Wenn du alte Gewohnheiten ändern willst, entferne die Auslöser und mach die Handlung dadurch weniger attraktiv.
Bas Verplanken spricht in diesen Fällen von „Implementations-Gewohnheiten“. Sie funktionieren nach dem Muster: Wenn (Auslöser), dann (Handlung). Nehmen wir zum Beispiel an, du möchtest dir angewöhnen, jeden Tag mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Arbeit zu fahren:
- Um die „Auto-Gewohnheit“ weniger attraktiv zu machen, parkst du dein Auto ein paar Blocks weiter weg. So bist du nicht direkt dem Reiz ausgesetzt, wenn du das Haus verlässt – du weißt, dass du noch ein paar Schritte bis zum Auto gehen müsstest.
- Um die neue „Fahrrad-Gewohnheit“ einzuführen, stellst du dein Fahrrad direkt neben die Wohnungstür. Es ist jetzt deutlich einfacher, sich schnell aufs Fahrrad zu schwingen und loszufahren, statt extra bis zum Auto zu gehen.
Diese Strategie funktioniert für viele andere Bereiche: Möchtest du effizienter im Home Office arbeiten, solltest du Anreize zur Prokrastination aus deinem Arbeitszimmer verbannen. Schalte zum Beispiel dein Handy aus und stelle Fernseher, Sofa, Sessel & Co. in ein anderes Zimmer. Wenn du früh Sport machen willst, lege dir deine Sportsachen direkt neben das Bett oder rolle abends schon einmal die Yoga-Matte aus.
4. Am Ball bleiben durch Belohnungen
Um dich davor zu bewahren, besonders zu Beginn wieder in alte Gewohnheiten zu verfallen, kannst du dich selbst mit Belohnungen motivieren:
- Mit der Methode des „Habit Tracking“ kannst du dir zum Beispiel selbst regelmäßig deinen Fortschritt vor Augen führen.
- Gerade zu Beginn hilft es, sich nach dem Ausführen einer neuen Verhaltensweise zusätzlich zu belohnen. Zum Beispiel, indem du dir sagst: Wenn ich fünf Tage lang mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre, gönne ich mir am Freitag einen Kinobesuch.
- Dies kannst du auch in einem Pakt mit dir selbst schriftlich festhalten. Schreibe auf, welche neue Gewohnheit du dir antrainieren möchtest und vor allem, welche Gründe dich dazu bewegt haben. Liest du dir diesen Pakt in schwachen Momenten durch, erinnert er dich an deine ursprüngliche Intention. Das kann dir einen neuen Motivationsschub geben.
- Um Gewohnheiten zu ändern, ist es besonders hilfreich, einen Pakt mit einer anderen Person zu schließen. Bitte also eine:n Freund:in oder eine andere Vertrauensperson darum, deinen Fortschritt zusätzlich zu überwachen und erstatte ihr regelmäßig Bericht.
- Vergiss nicht: Rückschläge sind menschlich und kein Grund, das Projekt vollständig zu verwerfen. Dass du einmal wieder einer alten Gewohnheit nachgegeben hast, ist im Nachhinein nicht mehr zu ändern. Je schneller du aber zu deinem neuen Verhalten zurückkehrst, desto besser gelingt es dir, weiter am Ball zu bleiben.
Achtung: So wichtig es auch ist, Gewohnheiten auf ihre Vorteile zu hinterfragen, solltest du nicht all deine Handlungen im Sinne der Selbstoptimierung sehen. Vielleicht ist es deine Gewohnheit, jeden Abend eine Serie zu schauen, die dich kurz ablenkt und zum Lachen bringt. Oder du isst als Vormittagssnack einen Schokoriegel, weil es dir schmeckt und dir ein gutes Gefühl gibt. Wenn du selbst das Gefühl hast, dass dir eine Gewohnheit gut tut, gibt es keinen Grund, sie zu ändern. Nicht alles, was wir tun, muss immer effizient oder auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sein. Geh achtsam mit dir um, hör auf deine Gefühle – und geh auch einfach mal so ins Kino, ohne dafür vorher etwas „vollbracht“ zu haben.